Mit Bedacht gewählt: ein Stück Verfall

Wo andere nur noch den örtlichen Entsorger einbezogen hätten, da hat Manolito Pepito Panadero den Betrachter einbezogen – und gestört in seinem Frieden mit der Kunst in der Welt.

Inhaltliche Tiefe – mit einer vergammelten Sackkarre verstörend kurz und bündig präsentiert!

Was also den meisten anderen erscheinen mag wie der leidliche Versuch einer Wiederverwertung, das wird Panadero gleichsam zum Brennglas: für den Blick auf Geschichte und Zivilisation.

Denn was hier auf den ersten Blick lapidar aus der Ecke gekramt und inhaltsleer erscheint, das konfrontiert den Besucher bei tieferer Betrachtung mit dem weiten Weg, den eine zaghaft sich technisierende Gesellschaft gegangen ist, um in der Moderne anzugelangen. Anzugelangen in einer High-Tech- und Informationsgesellschaft, die auch – um auf das Motiv des Künstlers einzugehen – eine Mobilitätsgesellschaft ist. Dem aufmerksamen Betrachter erschließt sich so Anlass zur Einkehr und zur kritischen Betrachtung:

Einkehr ob der Lebenswege, die hinter stillen Zeugen vergangener Zeiten stehen. So offenbaren steinerne Monumente wie zum Beispiel ein Aachener Dom schwerlich die Schattenseiten der Gesellschaftsformen, auf deren Relikte wir heute mit Stolz, Achtung und auch Ehrfurcht eingehen – aber wohl kaum mit Mitgefühl und Ehrerbietung für jene, die dabei unbeachtet auf der Strecke geblieben sind.

Schlicht und inhaltsschwer zugleich – ein echter Panadero

Eine kritische Betrachtung auch ob der Kehrseite der hohen Mobilität, die unsere heutige Gesellschaft in ihrer überwiegenden Wahrnehmung genießt. So war die räumliche Unbeweglichkeit und Begrenztheit vergangener Gesellschaften auch mitverantwortlich für die geringe geistige Beweglichkeit solcher Gemeinschaften. In den Zeiten des Globalismus entziehen sich die Nebenwirkungen der gegenseitigen Ab- und Ausgrenzungen zunehmend dem Bewusstsein und finden oftmals nur noch Beachtung durch Schock- oder Schreckensmeldungen in TV- und Pressemeldungen, wenn vormals durch Kolonisation gänzlich unterdrückte Gesellschaften heute nach der vollen Befreiung und sozialen Gleichstellung greifen.

Auch eine andere soziale Schattenseite, die sich im Inneren unserer Mobilitätsgesellschaft auftut, bleibt weitestgehend unbeachtet… solange man an der erwarteten Individualmobilität Teil hat.

Mit der „großen Kunst“ gespielt: Wandlungen

Wo Manolito Pepito Panadero sich gern mit kleinen Seitenhieben auf die Gegenwartskunst begnügt, da hat er sich mit „Wandlungen“ einen der ganz Großen vorgeknöpft. So scheint es – und meint in Wahrheit doch allein den Betrachter! Gerhard Richter weiß Panadero sehr wohl zu schätzen und zu achten.

Das Spiel mit Gerhard Richter wird zum Spiel mit dem Publikum:

Mit seinen „Wandlungen“ tritt Panadero nicht namentlich auf, sondern tritt hinter dem großen Namen Richter’s vollkommen zurück.

Gerhard Richter hatte 1973/74 seine Reihe „Permutationen 1-1024“ erstellt, von denen Manolito Pepito Panadero die ersten beiden Werke mit 2 x 2 und 4 x 4 Farbfeldern ausgetauscht hat gegen eigene Neuentwürfe, die bewusst allein in pastelligen Abtönungen gehalten sind. Panadero hat hier keineswegs die Absicht, Gerhard Richter aufs Korn zu nehmen, sondern den Betrachter will er narren oder prüfen: Wie genau schaut der Betrachter hin? Und wie genau kennen selbst Kenner der Szene denn „ihren“ Richter?

   das Original

   Panadero’s „Modifikation“

Zwar hat auch Gerhard Richter mit ähnlichen oder gar gleichen Farben gearbeitet, tut dies aber ausgewogen im Zusammenspiel mit Volltönen in perfekter Streuung. Vor allem jedoch: Seine „Permutationen“ starten mit den 4 Volltönen Gelb, Rot, Blau und Grün.

Nicht so bei Panadero – der gerade hier schon Richter’s Konzept konterkariert! Und – ich mag es kaum erwähnen – sogar beim Kontrollgang aus der Abteilung der Restaurierung unentdeckt blieb!

So sehr Panadero einerseits damit gerechnet hatte, nicht aufgedeckt zu werden, so sehr war er am Ende aber doch überrascht, dass wahrhaftig niemand von allein darauf kam oder von allein wenigstens einmal stutzte. Auch jene nicht, die Richter’s Werk sehr wohl kennen. Sondern, mit der Nase geradezu darauf gestoßen oder gar endlich ganz konkret darauf angesprochen, staunten die Besucher über sich selbst:

Was ist da eigentlich ausschlaggebend, wo man auf – vermeintlich – Bekanntes stößt und zugleich das Befremdliche daran gar nicht bemerkt: die Vertrautheit – oder doch die Flüchtigkeit?

Der 12. November 2005

… und wie es dazu kam, dass im Spätherbst ein 1. April datiert wurde.

Aller guten Dinge – wie der Volksmund weiß – sind drei.

Der guten Dinge das Erste:
Frau Dr. Annette Lagler, stellvertretende Direktorin des Ludwig Forums für Internationale Kunst in Aachen, und Kustodin der ständigen Sammlung des Hauses, ermöglichte Manolito Pepito Panadero alias Manfred Beckers im Frühjahr 2005 – nach zweimaligem Aussetzen – seinen Ideen freien Lauf zu lassen und sich wieder einmal zum 1. April im Ludwig Forum zu präsentieren.

Manolito Pepito Panadero greift den 1. April endlich wieder auf

Der Kalender wiederum hatte es gut gemeint mit Panadero: Fiel doch der 1. April 2005 auf einen Freitag. Dies gab ihm die Möglichkeit, seine Arbeiten einschließlich des Wochenendes der Öffentlichkeit zu präsentieren – und erst am Spätnachmittag des Sonntags Stück um Stück seine Arbeiten abzubauen.
Natürlich sollte auch diese Aktion zum 1. April, wie in den Jahren zuvor schon, eine spontane sein. Und so gab es keine Ankündigungen und keine Öffentlichkeitsarbeit. Dennoch: Jene Besucher des Hauses, die – dem Zufall dankend – Panadero’s Kunst sehen konnten, waren begeistert.

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Der guten Dinge das Zweite:
Vermutlich nicht ganz zufällig wird im Spätsommer ein Redakteur der Aachener Nachrichten auf Manolito Pepito Panadero aufmerksam. Dass Frau Lagler ihrerseits den Kontakt zu der Lokalzeitung gesucht haben könnte, drängte sich als wahrscheinlich zwar auf, blieb aber unbestätigt. Und so verlangen Anstand und Rechtsverständnis, an dieser Stelle nicht die Wahr-, sondern die Scheinlichkeit solcher Zusammenhänge hervorzuheben.
So erschien in den „Aachener Nachrichten“ am 21. September 2005 ein Artikel, den Sie in wesentlichen Auszügen hier als PDF abrufen können:

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Der guten Dinge das Dritte:
Durch jenen Artikel wiederum wurde der WDR aufmerksam auf Panadero – und wollte sowohl einen Beitrag in der „Aktuellen Stunde“ bringen, als auch nicht bis zum nächsten 1. April warten. Dank der Unterstützung Frau Lagler’s kam es also am 12. November 2005 zu einem 1. April – und einer ganzen Werkschau: Manolito Pepito Panadero stellte im Ludwig Forum insgesamt neun seiner Arbeiten aus.

An jenem 12. November kam – nicht bestellt, aber wie gerufen – Heinrich Schauerte im Ludwig Forum vorbei… und wurde inspiriert: Zu einem Artikel über den Künstler Panadero – mit dem er süffisant auch die einstige Befindlichkeit des Hauses auf’s Korn nahm.

Am 14. November 2005 strahlte der WDR in der „Aktuellen Stunde“ einen fünfminütigen Beitrag über Panadero aus.

Und… wie überhaupt alles begonnen hatte: nämlich mit dem 1. April 1998.

Kunst regt an – und auf

Die Kunst von Manolito Pepito Panadero hatte einst einen Lokaljournalisten angeregt – die, die die Kunst aufgeregt haben dürfte, haben sich das zumindest nicht anmerken lassen. Wovon ich spreche, ist nun schon ein Stück „Geschichte“: Eine Werkschau im Jahre 2005.

„Hausmeister zieht die Kunst durch den Kakao“

… so hatte der Lokal-Journalist der Aachener Nachrichten, Heinrich Schauerte, am 19. November 2005 getitelt – und zog doch selbst süffisant den Kunstbetrieb des Ludwig-Forums in Aachen durch den Kakao.

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Aber lesen Sie selbst:

Normalerweise treibt der Künstler Manolito Pepito Panadero einmal im Jahr sein subversives Unwesen im LuFo. Seine Kreationen fügen sich harmonisch in die Ausstellung der Großen ein. Katalogtexte als Sahnehäubchen.

Von unserem Mitarbeiter Heinrich Schauerte

Aachen. Wenn man gezwungen wäre, täglich viele Stunden in einem leeren Ludwig-Forum zu verbringen – müsste man da nicht wunderlich werden? Oder Philosoph? Oder Künstler? Oder vielleicht auch alles zusammen, so wie Hausmeister Manfred Beckers, der für sich beanspruchen kann, der wohl verkannteste Künstler Aachens zu sein.
Sein subversives Unwesen darf er einmal im Jahr treiben, und zwar am 1. April. Zumindest inzwischen wieder, denn nach dem Wechsel an der Spitze war erst einmal ein paar Jahre Pause. Humor ist halt, wenn man trotzdem lacht.
Die Kreationen von Manolito Pepito Panadero – so heißt der Hausmeister mit vollem Künstlernamen – fügen sich harmonisch in die Ausstellung der Großen dieser Welt ein. Kunstbeflissene betrachten sie hochinteressiert, auch ein Bild, das Panadero direkt vom Sperrmüll nach hier befördert hat. Nicht weniger finden sein überaus stilsicheres Bahnhofsklo oder „Die schönsten Menschen“, eine Installation mit einer Tür, hinter der nichts als ein Spiegel lauert. Kein Wunder, dass sich die Leitung des Hauses da unbehaglich fühlt; aber der Chef weilt ja gerade in Rom.
Dieser Tage durfte Panadero auch mal außer der Reihe ran – wohl weil ein Fernsehteam sich nach dem „Nachrichten“-Bericht über den schelmischen Hausmeister angesagt hatte. Neben der Werkschau sollte es noch eine Performance geben, die aber im Vorfeld eine Diskussion auslöste, wie sie ortstypisch zu sein scheint.
Am Ende führte der Künstler-Hausmeister dann doch noch eine kleine Szene vor, die heißt „An den Nagel gehängt“, aber tatsächlich wird was vom Nagel genommen, nämlich eine Jacke, und kleine Änderungen soll es ja auch in der großen hehren Kunst schon gegeben haben. Wer hier wem was sagen will, ist für Außenstehende undurchschaubar, klärt sich aber vielleicht noch bei den therapeutischen Gesprächen im Hause.
Das Sahnehäubchen auf allem sind die Katalogseiten von Gerhard Ochsenfeld, seines Zeichens Aufseher im Hause. So gekonnt, wie er das Kauderwelsch der Kustoden, Kunstbeamten oder sonstwie Berufenen verhohnepiepelt – da muss man schon eine Menge von den innersten Mechanismen der Szene verstehen.
Panadero’s Sackkarre etwa „konfrontiert den Besucher bei tieferer Betrachtung mit dem weiten Weg, den eine zaghaft sich technisierende Gesellschaft gegangen ist, um in der Moderne anzugelangen“. Der Mann könnte einen Hauptmann von Köpenick des Kunstbetriebs abgeben.
Vorschlag zur Güte: Lasst die beiden doch mal eine eigene Ausstellung auf die Beine stellen. Das Haus wäre bestimmt voll, der Frieden womöglich gerettet, und eine hohe Direktion könnte sich rühmen, wirklich mal was Neues gewagt zu haben.

(vollständig zitiert aus „Aachener Nachrichten“ vom 19.11.2005)

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