„Ent-Wicklungen – Plädoyer für eine Politik des Umbruchs“
Seiten 12/13 (Auszug)
Vom Dienst am Volk in politischer Verantwortung
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Trotz der immensen Angst vor umfassenden Änderungen des persönlichen Sozial- und Wohlstandes ergreift immer mehr Menschen das immer fester wurzelnde Gefühl, dass nur noch grundlegende Neuerungen im Wirtschafts- und Sozialwesen die gegenwärtigen Probleme überwinden helfen können. Dementsprechend richten die Bürger ihre klare Erwartung auf deutliche Weichenstellungen durch die Politik.
Aus dieser Erwartung heraus resultiert auch, dass die Massen noch in Ruhe und Zurückhaltung verharren. Jedoch stützt die Mehrheit in den heutigen Demokratien – in denen die Politik als vom Volk bestimmt gilt – so gerade auch den Lobbyismus durch ihre Wählerstimmen, weil auf diesem Wege Personen mit politischen Schlüsselfunktionen bedacht werden, die in lobbyistische Kreise verflochten sind. So sind Demokratien geeignet, einen Staat im Staate über prozentuale Zustimmungsquoten durch das Volk zu legitimieren. Mit dem „Staat im Staate“ meine ich hier die Subkultur der politischen Machtbildung, die in Beziehungsnetzen gepflegt wird und neben der durch die Staatsverfassung getragenen politischen Kultur besteht, ja sich sogar dem Staat – hier im Sinne der Bürgergemeinschaft, nicht der Institution – überordnet, statt sich ihm nach dem Sinn einer jeden Staatsverfassung dienstbar zu machen.
Legitimationsattrappen für nicht legitimen Nutznieß
Eine demokratische Willensbildung kann nur indirekt durch die Wählerstimme zum Ausdruck kommen. Tatsächlich aber muss sie über die im Verständigungsprozess beanspruchte Mitsprache stattfinden. Ob einzelne Anliegen letztlich Beachtung finden können oder zur Wahrung politischer Interessen zugunsten der Gesamtgesellschaft vernachlässigt werden müssen, ist nicht prinzipiell wesentlich – sondern wesentlich ist, ob Entscheidungen im Kern getragen werden von dem Anliegen, die Mittel und Möglichkeiten der Gemeinschaft bestmöglich zugunsten der Gesellschaft insgesamt einzusetzen. Dabei muss das Handeln der Gemeinschaft geprägt sein von der Achtung [dem Individuum und Minderheiten gegenüber] – nicht aber von der Tolerierung des Gewinnstrebens von Einzelnen und Minderheiten auf Kosten der Gemeinschaft.
Um dies zu erlangen, mussdas Verständnis der Demokratie als repräsentative Volksherrschaft überdacht werden. Vor allem sind die Politiker aufgerufen, sich als Vordenker und Vorreiter sinn- und erwartungsgemäß in den Dienst der Bürger stellen: Der Politiker sollte das Vertrauen genießen, den Interessen der Gesellschaft als Ganzes bestmöglich zu dienen – jeglicher Lobbyismus aber ist der klare Missbrauch dieses Vertrauens. Auch darf der Politiker nicht länger der Trägheit der Massen folgen, die sich sowohl durch die Größe von Gemeinschaften, als auch mit zunehmendem Wohlstand ergibt. Vielmehr muss er Gemeinschaftsinteressen mit Langfristigkeit sehen und erkennen und muss bereit sein, den politischen und gesellschaftlichen Umbruch für den Bürger zu wagen.
„Runderneuerung“ politischen Selbstverständnisses von Nöten!
Längst nämlich ist das Gewohnte nicht gleichbedeutend auch das Bewährte und Bewahrenswürdige. Längst hängt die Überlebensfähigkeit der europäischen ebenso wie der globalen Gesellschaft von ihrer Wandlungsfähigkeit und ihrer Bereitschaft ab, sich stets neuen Anforderungsprofilen offen zu stellen.
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