Frederick und sein Blick aufs Meer

Leseproben auszugsweise aus meinem Buch für Kinder und die ganze Familie
„Frederick – und sein Blick aufs Meer“:

„Frederick – und sein Blick aufs Meer“: hier liest die ganze Familie gern

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(auszugsweise:)

Sein Blick aufs Meer

[…]
„Setz Dich!“ rief er begeistert aus, ließ sich selbst im Schneidersitz auf der breiten Mauer nieder und zog Linda an der Hand herunter zu sich, damit sie neben ihm sitzen würde.
„Siehst Du das? Da hinten! Das ist die Westsee!“ Erwartungsfroh sah er zu Linda hinüber. „Ja“, klang Linda enttäuscht, „aber man sieht ja gar nicht viel.“
Unter der Friedhofsmauer dehnte sich erst einmal ein gutes Stück Land, mit Äckern und Wiesen, mit kleinen Waldstückchen hier oder dort, mit ein paar Bauernhöfen. Die Landschaft lag in vielen verschiedenen Grüntönen unter der klaren Sonne – nur die Getreidefelder hoben sich golden ab.
Und weit dahinter konnte man die blaue See erkennen.
„Siehst Du, Linda, wie schön das hier ist?“ Er knuffte Linda in die Seite, um eine Reaktion heraus zu fordern. Sie schnappte nach seiner Hand und hielt sie fest. „Wenn mein Vater anfing, das Grab zu pflegen“, erzählte Frederick, „dann bin ich immer weggegangen, bin so über den Friedhof gelaufen. Und irgendwann hab ich diesen Ausblick entdeckt. Seitdem komme ich manchmal hier auf den Fried- hof, nur um mich auf diese Mauer zu setzen…“


Die Blicke zweier Kindergesichter verloren sich in Richtung des Meeres. Das eine Gesicht sanft, im Glück strahlend, das andere noch etwas ratlos.
„Dann sitz ich hier und träum vom Meer“, erzählte Frederick weiter. „Nur ich. Ganz alleine im Boot. Und dann fahr ich bis zum Horizont und noch dahinter.“
Der Wind blies ihnen heftig ins Gesicht und roch nach Meer. Frederick war glücklich. Und Linda war glücklich, weil Frederick endlich einmal etwas er- zählte: Von sich – und ganz von sich allein, ohne dass sie zuvor mit Fragen gedrängt hatte.
Das Wetter war schön, die Luft roch frisch,
der Wind war mild. – Aber in Linda brannte die Neugier nun zu sehr, endlich einmal mehr zu erfah- ren von diesem Jungen, der ja plötzlich auch ganz normal reden konnte! Der Junge, der also nicht nur schweigen konnte! Dieser Junge, der tatsächlich mehr sprechen konnte, als nur das Allernötigste – und nur, wenn man ihn direkt fragte.
Und so unterbrach sie irgendwann die Stimme des Windes, der im Laub der Büsche unterhalb der Mauer und in den Bäumen um sie herum rauschend, zischend und surrend seine abwechslungsreichen Melodien spielte. „Wieso bist Du eigentlich im Heim, wenn Du doch noch einen Papa hast?“
Frederick schwieg.
Linda hielt nur stumm seine Hand.
Und dann gingen ganz allmählich bei Frederick die
Türen auf:
„Linda?“ fragte Frederick leise, „kannst Du ein
Geheimnis für Dich behalten? Wenn ich Dir was sage, was keiner weiß außer mir?“
„Hm“, war Linda irritiert, „auch meiner Mama nicht? Die ist nämlich meine beste Freundin. Und deshalb kann ich der auch alles sagen.“
„Nein!“ stellte Frederick trocken fest. „Auch Deiner Mama nicht! Das ist dann nur ein Geheimnis unter uns zweien!“
Linda schwieg.
Linda dachte lange nach und erwog. Sie wollte keine Geheimnisse haben vor ihrer Mutter. Sie wollte nichts verbergen vor ihrer Mutter. Und sie fürchtete, es würde bald ganz unausweichlich dazu führen, dass sie ihre Mutter würde anlügen müssen, nur um dieses Geheimnis wahren zu können.
Aber es reizte sie auch, mit Frederick ein Geheimnis zu teilen. Nur mit Frederick. Linda fand es irgendwie aufregend und spannend, mit Frederick ein Geheimnis zu hüten.
Diese stille Verbundenheit, die dann zwischen Frederick und ihr bestehen würde, erschien ihr sehr verlockend. Und sie hoffte auch, ihm nun endlich näher kommen zu können. Linda konnte Frederick gut leiden. Auch wenn Linda gar nicht hätte sagen können, warum sie ihn so gern hatte. Er redete ja wenig. Und er redete nie von sich selbst. Aber nun stellte er in Aussicht, ihr ein echtes Geheimnis von sich selbst zu verraten! Näher würde sie ihm ja gar nicht mehr kommen können!
Und Linda fasste einen Entschluss.
„Ja, Frederick“, sagte Linda, nachdem sie meinte, lange genug darüber nachgedacht zu haben.
„Ja, versprochen. Das bleibt dann nur unser Geheimnis.“
[…]

(komplett:)

Ein Wintertag

Es war grau in grau. Es war bitter kalt – und regnete Bindfäden.
Die Schüler waren vom Winterregen pudelnass. Sie drängten sich frierend in der Eingangshalle der Schule zusammen, schimpften über das Wetter, spritzten sich noch gegenseitig mit dem Wasser auf ihrer Kleidung nass… als ob das noch irgendetwas änderte.
Aber jeden, der nass gespritzt wurde, ärgerte das, weil jeder der Nässe überdrüssig war. Und so ver- mischten sich schadenfrohes Gelächter mit lautstarkem Schimpfen, vermischten sich Reden und Erzählen mit Rufen und Brüllen. Lärm beherrschte die Halle. Die Stimmen einiger Lehrerinnen und Lehrer, die zu etwas Ruhe aufzurufen versuchten, gingen meist ungehört unter im Tosen der Schülermenge.
Erst der Gong drang durch und löste, wie von Geisterhand geführt, die Schülermenge auf. Dort stürmten Stimmen und Tritte in den einen Flur, da trommelten stampfende Füße die Treppen hinauf und in einen anderen Flur heinein.
Und nach einigen Minuten war in der Eingangshalle die Stille mit sich allein.
Erleichtert über die Ruhe, und doch auch einsam
mit der Leere, schnappte die Stille nach den letzten, in der Ferne widerhallenden Kinderstimmen und den letzten zugeschlagenen Türen. Dann…
… nichts mehr.
Allmählich und schüchtern suchte die Stille Kameradschaft zu knüpfen mit dem leisen Zischen und Pfeifen, das der Winterwind den Türritzen entlockte. Und Kameradschaft mit dem seichten Prasseln des Regens, das durch Türen und Fenster gedämpft in die Halle drang.

(Auszug aus:)


Als Kinderbuch konzipiert, ist mit Spannung die ganze Familie dabei!


Stolz und Staunen

[…]
„Voilà!“ sprach Frederick geschwelgt aus und schwang dabei weit ausholend und anbietend den linken Arm, um schließlich mit dem gestreckten Arm und der flach nach oben offenen Handfläche in Richtung seines Schreibtisches zu zeigen.
Frederick kannte die Bedeutung des französischen Wortes „Voilà“ gar nicht. Frederick hatte sich das nur vor kurzem aus einem Film abgeschaut und gut gemerkt. Es hatte Frederick schwer beeindruckt, wie dort ein Mann mit einer attraktiven Frau über einen Hafenanleger ging und – an einem bestimmten Boot angelangt – mit dieser großzügigen Geste auf eine prächtige Segelyacht zeigte. Die Szene wurde zum Auftakt einer Segeltour: Der Mann kreuzte mit der Frau für ein paar Tage durch die Westsee und bis ins Skagerrak hinein. Die Filmemacher hatten mit schönen Naturaufnahmen von der See und den Küsten nicht gespart. Am Ende des Films sollten die beiden dann auch tatsächlich zusammen kommen…
Aber so weit waren Linda und Frederick noch lange nicht…

Frederick war sehr stolz, als er auf die Skulptur schaute, die er sich auf seinen Schreibtisch gestellt hatte. Etwa sechzig Zentimeter groß, stand dort eine Figur in grauen Farbtönen.
Linda ging langsam darauf zu, staunend, mit großen Augen und offenem Mund: Linda mochte etwas sagen, wollte etwas fragen und… wusste gar nicht, womit anfangen. „Was ist das?“ fragte sie schließlich.
„Ein Steinbock!“ sagte Frederick fast empört. ‚Hab ich doch erzählt!‘ dachte Frederick bei sich.
„Nein!“ war Linda ungeduldig, „ich meine: Woraus ist der?“ „Aus Speckstein!“ rief Frederick aus und grinste breit – er ahnte schon, dass er Linda mit dieser Antwort wohl nur noch mehr irritieren würde. Denn gut konnte er sich noch daran erinnern, dass er selbst gar nicht wusste, was das sein sollte. Weicher, fettiger Speck und harter, kalter Stein – das hatte auch für Frederick gar nicht zusammen passen wollen, als er von seinem Vater zum ersten Mal davon hörte.
„Was ist denn das?“ drehte Linda sich fragend zu Frederick um. „Speck… stein?“
„Ja, ich weiß nicht. Das ist irgendwie ganz komisch. Einerseits sagt man ,Stein‘ dazu – aber andererseits kann man den bearbeiten wie Holz… oder so. Also jedenfalls ist der so weich wie Holz… aber ist eben doch ein Stein.“
Linda stand nun ganz nah bei der Skulptur und hielt ihre rechte Hand dicht über dem Rücken des Tieres in der Luft. Sie wollte unbedingt auch einmal wissen, wie sich dieser Stein anfühlte… Langsam drehte sie ihren Kopf zu Frederick und fragte mit leuchtenden Augen: „Darf ich?“
Frederick nickte – und spürte einen großartigen Stolz in sich aufsteigen. „Warum nicht?“ Und Linda ließ ihre Hand auf das Tier sinken. Dann nahm sie auch die linke Hand hinzu und strich nun mit beiden Händen sanft und ganz ohne Druck über den Stein. Linda fröstelte: Sie hatte eine – wie man zu sagen pflegt – Gänsehaut, als sie die Figur berührte und mit ihren Händen spüren konnte.
Leise flüsterte Linda in stiller Faszination: „Mein Papa sagt immer, dass man Kunst niemals anfassen darf. Immer nur ansehen. Aber niemals mit den Fingern daran gehen.“
„Ja“, sagte Frederick nüchtern, „in Museen! Das sagt mein Papa auch. Aber bei mir darfst Du solche Sachen auch anfassen!“
[…]