Mangelnde Bereitschaft zu Innovationen

(*) Dieser Beitrag bezieht sich auf „Wie aus Problemverdrängung  ein ernstes Problem wird…“. Die Rede wird abermals von Innovationen sein.

Wie absurd muss es sich lesen, im Jahre 2017, dass Arbeitslosigkeit ein Problem sein soll? Bekämpft aber wurde die Arbeitslosigkeit, indem man in Deutschland das Lohnniveau abgesenkt und Arbeitsplatzsicherung deutlich eingeschränkt hat. Das mögen zum Teil notwendige Schritte gewesen sein, um unternehmerisches Handeln zu erleichtern. Dennoch darf man fragen, ob nicht in vielen Bereichen deutlich über das Ziel hinausgeschossen wurde.

Und nein: Es wurde NICHT! Prekäre Arbeitsverhältnisse haben zugenommen. Selbst einst begehrte Berufe müssen heute als prekär eingestuft werden. Und man hat das Lohnniveau umfassend gesenkt – was den Zugang zu jeglichen Berufen durchschnittlich erleichtert… und damit wiederum Druck erzeugt. – Man darf also streiten, wie viel des politischen Eingreifens hier und wie viel der politischen Passivität dort tatsächlich gut war.

Eines aber ist unbestreitbar: Man beschwert sich kaum und beklagt sich leise, fast hinter vorgehaltener Hand. Das aber durchaus mit recht. Denn was inzwischen stattfindet, ist die Selbstausbeutung einer Gesellschaft und einer Kultur nach innen. Auf keine Fall ist die geringe Arbeitslosigkeit der Gegenwart (2017) einer höheren Innovationsfreude zu verdanken. Und was Anfang 1998 als Ergebnis einer Studie veröffentlich worden ist, das gilt im Grundsatz auch heute:

„Ent-Wicklungen – Plädoyer für eine Politik des Umbruchs“
Seite 15


Anpassungen nehmen zu – Innovationen hingegen nehmen ab


„Seit 1971 analysierte der Betriebswirt und geschäftsführende Gesellschafter an der Akademie Schloß Garath [Rolf Berth] den Anteil von Innovationen am Gesamtumsatz der deutschen Industrie. […] Folgt man der in der EU üblichen Nomenklatur, gibt es bei Produkten und Serviceleistungen drei Typen von Innovationen. Anpassungsverbesserungen (etwa: neues Etikett auf einer Getränkeflasche), Erneuerungsinnovationen (Räder unterm Koffer oder stark verbesserte Herstellungsprozesse) und die revolutionären Durchbruchsinnovationen (Laser-Technologie).
[…] versicherten die Befragten, Innovationen im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten ‚mit Nachdruck‘ voranzutreiben. Tatsächlich aber waren […] nur die wenig risikoreichen Anpassungen stark angestiegen (35 Prozent). Die Erneuerungsinnovationen nahmen dagegen um 30 Prozent ab. Die Durchbruchsinnovationen verbuchten gar ein Minus von 56 Prozent.“ (Die Welt, 08.01.1998)

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Durch Problemverdrängung ins Problem hinein

„Ent-Wicklungen – Plädoyer für eine Politik des Umbruchs“
Seite 16

Wie aus Problemverdrängung ein ernstes Problem wird…

Die allgemeingesellschaftliche Unfähigkeit, sich geistig zu erneuern, blockiert mit erschreckender Dynamik ein Sozialsystem, das sich einerseits die Vergeudung von Produktivitätspotenzialen stets großzügig hat leisten können, solange Unterdrückung und Unterbezahlung innen- wie außenpolitisch nicht nur den Ausgleich schufen, sondern auch durch Staatsgewalt menifestiert wurden. Ein System, das andererseits in Zeiten der größten Bedrängnis stets enorme Vitalität gezeigt hat. Einem erneut aufkommenden Druck versucht die Wirtschaft zunächst zu begegnen, indem sie den Druck an minderprivilegierte Gruppen weiterleitet. Das ist, historisch nachvollziehbar, stets so verlaufen.

Heute sind, obgleich beide Gruppen die tragenden Säulen der Wirtschaft darstellen, Arbeitnehmerschaft und Kleinunternehmer diejenigen, die dem stärksten wirtschaftlichen Druck ausgesetzt sind. Die Politik hat dabei längst seine prägende Rolle als staatliche Gewalt aufgegeben und begnügt sich – von den Führungen der Großkonzerne instrumentalisiert – förmlich nicht widerstandslos, aber tatsächlich merkwürdig einmütig in seiner Rolle als Marionette.


Wirtschaft schwächt sich durch abnehmende Innovationsbereitschaft


Für das drängendste soziale und kritischste politische Problem – die Arbeitslosigkeit* – gibt es primär eine recht einfache Erklärung: die massive Innovationsschwäche der Wirtschaftsunternehmen. Diese These – so sehr sie der Frustration Arbeitsloser entsprungen scheint – findet sich schließlich auch in der langfristigen Studie* eines Betriebswirtes bestätigt […]. Beispiele dafür sind zahlreich, einige auch öffentlichkeitswirksam.


(* lesen Sie hier quer zum Thema)


Der Magnetschwebegleiter „Transrapid“ wird blockiert – und schließlich auf die Kompromisverbindung Berlin–Hamburg verdrängt. Diese moderne Technologie, forciert vorangebracht, könnte eine immense Anzahl an Arbeitskräften in den verschiedensten Unternehmenssparten binden. Und selbst auch dann noch mit einem deutlich positiven Effekt für Wirtschaft und Arbeitsmarkt, wenn man das Thema Hochgeschwindigkeitszug in der Rad-Schiene-Bindung ganz fallen ließe.

Der Energiemarkt wird noch immer dominiert von Monopolisten, obgleich ein liberalisierter und nach ökologischen Prinzipien staatlich kontrollierter Energiemarkt nicht nur umweltverträglicher wäre, sondern auch eine Unzahl von Patenten und Entwicklungsansätzen nutzbar machte, schließlich den Arbeitsmarkt belebte.

Das Werftensterben an der norddeutschen Küste ist auf nichts anderes als die Innovationsmüdigkeit der betroffenen Unternehmen zurückzuführen. Seit Jahrzehnten war es absehbar, dass Konkurrenten in Schwellenländern den vergleichbaren technologischen Stand billiger anbieten können. So hätten, mit hinreichendem Engagement entwickelt, deutsche Werften beispielsweise längst Überseeschiffe mit Ruder-Antriebsanlagen anstelle der äußerst uneffektiven Antriebsschrauben anbieten und die Marktführung übernehmen können.


Vielversprechende Innovationen schlafen ein


Die Automobilindustrie hatte sich in der Antriebsentwicklung rund 20 Jahre Ruhe gegönnt und läuft nun dringend Gefahr, auch hier den Anschluss zu verlieren. Die Modifikation von Karrosserie und Fahrzeugsicherheit reicht bei weitem nicht mehr, um den Markt technologisch zu dominieren.

Das waren jetzt nur einige wenige Beispiele innerhalb eines komplexen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, das sich selbst das Wasser abgräbt. In der Wohlstandsgesellschaft scheint jeder grundlegend neue Schritt die persönlichen Sicherheiten und Besitzstände zu gefährden, statt eine hoffnungsbelegte Perspektive darzustellen. So aber beweist sich in der Wirtschaft abermals, dass, was man verkrampft zu halten sucht, man erst recht verliert…

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Der lethargische Bürger im Frieden mit Demagogen

„Ent-Wicklungen – Plädoyer für eine Politik des Umbruchs“
Seite 14 (Auszüge)

Über den Frieden des lethargischen Bürgers mit den Demagogen

Eines der vielstrapazierten Worte unserer Zeit ist das Wort „Krise“. Genau gesehen befinden wir uns aber in einer vorkritischen Phase. Einerseits besteht intern für die europäischen Staaten die Möglichkeit, auf einem reformativen Wege ein neues und zukunftsfähiges Gesamtsystem aufzubauen, ohne revolutionäre Umtriebe zu provozieren. […] Andererseits steht auf globaler Ebene die Revolution längst in den Anfängen. Längst aber werden auch alle revolutionären Stimmungen politisch missbraucht – auf europäisch-amerikanischer Seite wiederum werden diese revolutionären Umtriebe entweder übersehen oder fehlgedeutet und mit brüsker Überheblichkeit falsch beantwortet.


Die „Krise“ als Schreckgespenst – und Führungsinstrument


Das Wort „Lösung“ mutiert unserer Tage zum Synonym für Täuschung. Denn es gibt viele Stimmen aus Politik und Wirtschaft, die von Lösungen sprechen, jedoch nur Teilaspekte herausgegriffen haben, die durchzusetzen höchstens den heute blühenden Neoliberalismus bewiese, aber die Gesellschaftskrise zu lösen in der stets isolierten Form ohnehin keineswegs geeignet sind.

„Vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen“ – ein altes Sprichwort, das auch hier zutrifft: Es gibt Lösungsvorschläge zuhauf, mit Hilfe derer Kostenexplosionen im Sozialwesen gebremst oder Arbeitslosigkeit abgebaut werden sollen… oder, oder. Ohne zu sagen, dass jeder dieser Lösungsvorschläge untauglich sei: Wo ist das Konzept, in das gefasst die vielen kleinen Lösungen überhaupt gedeihen könnten, um ein großes Ziel zu erlangen?

Bestärkt wird der Bürger in [seinem] Eindruck noch durch […] geringere Einkommenszuwächse – aber blühende Wirtschaftsbilanzen. […] Das Ergebnis […]: Der Bürger ist verkommen zum lethargischen und politisch frustrierten Arbeitskraftpotenzial.


Politische Lethargie lähmt den Willen zum Wandel


Der Schritt hinaus aus dieser Lethargie sollte von Seiten der Politiker vorgeleistet werden. Gleichzeitig also muss die Politik in der Lage sein, soziale Sicherheiten auch unterhalb der Mittelschicht zu garantieren. Politik muss in der Lage sein, den Desozialisierungsprozess der Gesellschaft und den Verlust des Solidaritätsprinzips zu verhindern. Stattdessen aber ringt der Einzelne – Allgemeininteressen nicht nur missachtend, sondern zunehmend verletztend – um den Erhalt seines sozialen Status. Durch einen wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Druck wird der Einzelne zu einem unpolitischen Bürger, die Massen werden zu einer unpolitischen und losen Menge – und lassen sich dabei gleichzeitig politisch instrumentalisieren.

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Vom Dienst am Volk in politischer Verantwortung

„Ent-Wicklungen – Plädoyer für eine Politik des Umbruchs“
Seiten 12/13 (Auszug)

Vom Dienst am Volk in politischer Verantwortung

[…]
Trotz der immensen Angst vor umfassenden Änderungen des persönlichen Sozial- und Wohlstandes ergreift immer mehr Menschen das immer fester wurzelnde Gefühl, dass nur noch grundlegende Neuerungen im Wirtschafts- und Sozialwesen die gegenwärtigen Probleme überwinden helfen können. Dementsprechend richten die Bürger ihre klare Erwartung auf deutliche Weichenstellungen durch die Politik.
Aus dieser Erwartung heraus resultiert auch, dass die Massen noch in Ruhe und Zurückhaltung verharren. Jedoch stützt die Mehrheit in den heutigen Demokratien – in denen die Politik als vom Volk bestimmt gilt – so gerade auch den Lobbyismus durch ihre Wählerstimmen, weil auf diesem Wege Personen mit politischen Schlüsselfunktionen bedacht werden, die in lobbyistische Kreise verflochten sind. So sind Demokratien geeignet, einen Staat im Staate über prozentuale Zustimmungsquoten durch das Volk zu legitimieren. Mit dem „Staat im Staate“ meine ich hier die Subkultur der politischen Machtbildung, die in Beziehungsnetzen gepflegt wird und neben der durch die Staatsverfassung getragenen politischen Kultur besteht, ja sich sogar dem Staat – hier im Sinne der Bürgergemeinschaft, nicht der Institution – überordnet, statt sich ihm nach dem Sinn einer jeden Staatsverfassung dienstbar zu machen.


Legitimationsattrappen für nicht legitimen Nutznieß


Eine demokratische Willensbildung kann nur indirekt durch die Wählerstimme zum Ausdruck kommen. Tatsächlich aber muss sie über die im Verständigungsprozess beanspruchte Mitsprache stattfinden. Ob einzelne Anliegen letztlich Beachtung finden können oder zur Wahrung politischer Interessen zugunsten der Gesamtgesellschaft vernachlässigt werden müssen, ist nicht prinzipiell wesentlich – sondern wesentlich ist, ob Entscheidungen im Kern getragen werden von dem Anliegen, die Mittel und Möglichkeiten der Gemeinschaft bestmöglich zugunsten der Gesellschaft insgesamt einzusetzen. Dabei muss das Handeln der Gemeinschaft geprägt sein von der Achtung [dem Individuum und Minderheiten gegenüber] – nicht aber von der Tolerierung des Gewinnstrebens von Einzelnen und Minderheiten auf Kosten der Gemeinschaft.
Um dies zu erlangen, mussdas Verständnis der Demokratie als repräsentative Volksherrschaft überdacht werden. Vor allem sind die Politiker aufgerufen, sich als Vordenker und Vorreiter sinn- und erwartungsgemäß in den Dienst der Bürger stellen: Der Politiker sollte das Vertrauen genießen, den Interessen der Gesellschaft als Ganzes bestmöglich zu dienen – jeglicher Lobbyismus aber ist der klare Missbrauch dieses Vertrauens. Auch darf der Politiker nicht länger der Trägheit der Massen folgen, die sich sowohl durch die Größe von Gemeinschaften, als auch mit zunehmendem Wohlstand ergibt. Vielmehr muss er Gemeinschaftsinteressen mit Langfristigkeit sehen und erkennen und muss bereit sein, den politischen und gesellschaftlichen Umbruch für den Bürger zu wagen.


„Runderneuerung“ politischen Selbstverständnisses von Nöten!


Längst nämlich ist das Gewohnte nicht gleichbedeutend auch das Bewährte und Bewahrenswürdige. Längst hängt die Überlebensfähigkeit der europäischen ebenso wie der globalen Gesellschaft von ihrer Wandlungsfähigkeit und ihrer Bereitschaft ab, sich stets neuen Anforderungsprofilen offen zu stellen.

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Über die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Wandels

„Ent-Wicklungen – Plädoyer für eine Politik des Umbruchs“
Seiten 11/12 (in Auszügen)

Über die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Wandels

[…] gilt es, ab sofort ökologische Belange nicht als lästige Modeerscheinung so weit in den Alltag zu integrieren, dass dem schlechten Gewissen hinlänglich Ruhe angedeiht. Damit das gelingt, muss man dringend davon absehen, Umweltbelastungen danach zu beurteilen, ob und wie stark sie das Überleben des Menschen schlechthin oder dieser oder jener Tier- oder Pflanzenart gefährden. Denn aus diesem vereinfachten Schwarz-Weiß-, diesem simplen Ja-Nein-Raster ist nichts anderes erwachsen, als ein auf die leichte Schulter genommenes Umweltverständnis, das zudem von Zynismus, ja von Fatalismus gesättigt ist bis zur Unerträglichkeit.
[…]


Grundlegender Wandel im Umweltschutz scheint längst vollzogen…


Auch ist es, global gesehen, ohne jeden Belang, ob die eine oder andere Tierart ausstirbt oder die Vielfalt der Planzenarten zurückgeht. Es ist sogar für den Planeten ohne Belang und ohne Interesse, wie lange der Mensch und ob dieser überhaupt überlebt. Aus der Einsicht heraus, dass es in Politik und Industrie noch immer keinen grundlegenden Richtungswechsel gibt, und möglicherweise aus der Erkenntnis heraus, dass der Mensch als Erdbewohner ohne jede Willkommensbekundung und ohne jede freundliche Hofierung geduldet ist, könnte man ableiten, dass Umweltschutz zwar wichtig und berechtigt sei, aber letztenendes ohnehin erfolglos bleibe. Das somit Sorgen um die Umwelt vergebens seien und man dem Leben nur noch und so lange es noch möglich sei, so viel Spaß wie eben möglich abringen sollte.

Es bedarf nun also eines politischen und geistigen Wandels.

Die Frage, was immer man tut, muss nun also lauten, ob eine Handlung die Lebensqualität jetzt oder in Zukunft beeinträchtigt. Und es darf dieser Frage nicht an Gewicht und Härte genommen werden, indem man zu beantworten sucht, wie viel es kostet, einer solchen Beeinträchtigung entgegen zu wirken – es wird immer einen kleinen Kreis derer geben, die aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten in der Lage sind, Schutzmaßnahmen auszuweichen oder diese für sich in mehr oder minder angemessener Weise zu nivellieren.


… aber der Kernfrage weicht man noch immer aus!


Erst mittels der konsequenten Bewertung der unmittelbaren oder zu erwartenden Beeinträchtigungen von Lebensqualität kann tatsächlich ein allgemeiner, insgesamt die Gesellschaft erfassender Wandel im Umgang mit Rohstoffverbräuchen und Schadstoffbelastungen stattfinden. Jede Einbeziehung vermeintlich gegenwärtiger und akuter Erwartungen und Notwendigkeiten, jede Relativierung einer solchen Bewertung, jede noch so plausibel begründete Interessenabwägung ist von falschem Interesse und falscher Motivation, schließlich von vorgetäuschter Sorge.

Wie denn kann die Fürsorge für die Kinder und Kindeskinder glaubwürdig sein, wenn andererseits diese Fürsorge erkauft wird mit dem aus Sicht der Kinder und Kindeskinder irreversiblen Kredit bei den primären Lebensgrundlagen?

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