Autorikratie ist die neue Demokratie

Ich finde nur den Begriff der Autorikratie. Nein, ich finde ihn nicht. Ich er-finde ihn, damit ich ein anderes Wort für etwas nutzen kann, das es so per definitionem noch nicht zu geben scheint.

unter welcher Staatsform möchten wir leben ?

Es ist im Grunde das, was alle Menschen der Gegenwart bereits kennen. Die aktuell größte Autorikratie ist China.
Der aufmerksame Leser möge es bitte geneigt zur Kenntnis nehmen, dass ich ganz bewusst nicht von einer Diktatur spreche. Auch in China herrscht keine ‚Diktatur‘.
Und natürlich bleibt es eine (diplomatische) Finte, aber vielleicht können Parteifunktionäre in Beijing sich mit Fug und Recht verwahren gegen Einmischungen von außen, solange von außen der offen ausgesprochene oder klamm verschluckte Vorwurf mitschwingt, man pflege dort eine ‚Diktatur‘.
Kurzum: Es ist ein Totalitarismus, der also sicherlich in vieler Hinsicht beispielgebend, mir aber für nichts als Vorbild dienen kann.
Man muss das mit Sinn und Distanz zu begreifen suchen, was da im Lande des Sonnenaufgangs staatspraktisch vonstatten geht, und man muss selbstkritisch eingestehen, wo man selbst allmählich angelangt ist, um so etwas wie Dialogbereitschaft aufzubauen. – Oder man geht den anderen Weg (den wir nicht mehr schaffen werden, der aber die Konsequenz wäre): Erstens Aufrüsten bis zum Bersten und sich zweitens radikal wirtschaftlich unabhängig machen von China.

Demokratie ist auch nur ein Wort

Die „Volks-Republik“ erscheint ja nur denen zynisch „doppelt gemoppelt“, die gern der modernen Auslegung folgen und sich die „res publica“ mit der „Herrschaft der Öffentlichkeit“ übersetzen.
Offenbar aber wird in den alten Schriften (Roms) die ‚res publica‘ begrifflich allein als Staatsangelegenheit oder Staatsverwaltung angewandt.
Nichtsdestotrotz ist es Sand in die Augen des denkdiktierten Bürgers, wenn man ihm in einer „Volksrepublik“ von Kindes Beinen an einprägt, er/sie lebe in einem durch das Volk selbstverwalteten und bestmöglichen Kompromiss, der eine den unwirtlichen Umständen geschuldete Vorstufe des Paradieses darstellt.
Ehrlicher ist es sicherlich, dass die „Bundes-Republik“, wie Deutschland eine ist, nur also folglich mehr Spielraum für die Auslegung von „Staatsverwaltung“ in dieser Föderation zulässt. Aber das sagt natürlich niemand. Oder andere möchten es auch nicht (so) sehen. Sondern im Gegenteil möchte man allein die „Republik“ als Garanten für so etwas wie Demokratie verstanden wissen.
Maßgeblich bleibt für uns das Grundgesetz. Und es ist wahrhaftig eine prekäre Lage, in die wir geraten sind, wenn plötzlich allein noch eine AfD antreten möchte, die dort verbrieften Grundrechte zu verteidigen.
Da MUSS man einfach stutzen, derweil es bisher genau diese Partei – Gründung bis Gegenwart – selbst war, die uns aufgezeigt hat und uns Angst macht, dass gerade diese Partei, gäbe man ihr nicht nur Mitverantwortung in einer Regierung, sondern gar Mehrheiten, das eine oder andere GrundRECHT nicht nur vergessen könnte, sondern gar gezielt außer Kraft setzen.

jenseits von Position und Opposition

Nein, mir ist auch nicht wohl dabei, wenn es gerade eine AfD ist, die notwendige oppositionelle Positionen bezieht. Aber mir wird wahrhaftig angst und bang, dass andere Parteien – und auch Medienorgane – dieselbe Kritik nur deshalb nicht mehr in den Mund nehmen, weil sie von einer gehassten Partei vereinnahmt erscheint.
Denn genau darüber steuern wir so oder so in eine Richtung, die vorgeblich niemand möchte: Entweder, weil wir aus Prinzip (!) gegensteuern – oder weil wir einer Kraft damit noch mehr Macht verschaffen, die vermeintlich alle klein halten wollten.

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Reformation: der wahren Demokratie gedenken

Die Reformation in ihrer 500. Jährung darf in der Tat und ruhig einmal einem jeden ein Tag des Erinnerns und des Achtens sein – auch einem jeden, der nicht gläubig oder nicht religiös ist.

Religion ist ja nicht nur der Gang zur Kirche oder zum Gebetshaus, ist nicht nur Trost und Seelenfrieden. Religion ist auch stets ein gesellschaftliches Regulativ. Und Religion ist ein Synonym für einen eingegrenzten Denkraum. Trotz Luthers Aufbegehren gegen Wirken und Gebaren der katholischen Kirche: Auch ein Synonym für die freiwillig eingegangene Akzeptanz von Grenzen: Grenzen der persönlichen Freiheit – im Handeln wie auch in der Weltanschaung.
Aber wiederum nicht: Die Legitimation, die Freiheit des Denkens und die Freiheit der persönlichen Meinungsäußerung per Diktat einzuschränken. Luther ist derjenige, der die Grenzen des Denkens zu sprengen nicht erst mit dem Anschlagen seiner Thesen selbst gewagt hat:

Luthers Thesen: Die Aushängung an sich als demokratisches Bekenntnis

Die Freiheit, die er sich genommen hat, war, Denkdiktate zu überwinden. Bahnbrechend war, diese Befreiung durch das Anschlagen seiner Thesen öffentlich zu machen. Und diese Freiheit einem jeden einzelnen einzuräumen. Im Nachhinein betrachtet war schon das die eigentliche Reformation. Dabei hatte Luther Spaltung nicht gefordert – und nicht die Neugründung einer anderen Kirche! Sondern Dialog und Austausch: Er forderte Disput!
Er forderte die Bereitschaft aller Beteiligten, eine Reform, eine Neuordnung des Vorhandenen zu gestalten.

Informationsfreiheit – auch ein Erfolg der Reformation?

Der eigentliche Akt der Befreiung waren weniger die Thesen selbst – als vielmehr der Akt des so genannten „Anschlages“ der Thesen: Die Aufforderung zum Aufruhr! Denn viel aufschlussreicher ist die von Luther verfasste Präambel:

Aus Liebe zur Wahrheit und im Verlangen, diese zu erhellen, sollen die folgenden Thesen in Wittenberg disputiert werden unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Pater Martin Luther, Magister der freien Künste und der heiligen Theologie, dort auch ordentlicher Professor der Theologie.“ (Quelle: www.ekd.de) Und Luther geht noch darüber hinaus, wenn er ausnahmslos von jedem einfordert, sich zu beteiligen: „Deshalb bittet er jene, die nicht anwesend sein können, um mit uns mündlich zu debattieren, dies in Abwesenheit schriftlich tun.“ (Quelle: w.v.)

Die Reformation markiert einen gesellschaftlichen Umbruch

Damit löst Luther nicht Moral und Glauben auf und erklärt diese nicht zum Alleinraum und Freiraum des Individuums. Aber er beklagt entschieden die Vermengung weltlicher Machtinteressen einerseits und die Auslegung von Wort und Willen seines Gottes andererseits. Er stellt nicht Gott noch Glauben in Frage – sondern Aspekte der Machtübung, als auch die Unangreifbarkeit dieser Machtübung.
Dabei ist es nicht allein Luther, der ausnahmslos jeden in die Meinungsbildung einbeziehen möchte, ehe man daraus einen gesellschaftlichen Konsens schaffen möge: Es ist eine Bewegung um Luther herum.
Das ist ein Demokratieverständnis, das über jenes der Zeit und über jenes der alten Griechen deutlich hinausgeht.
So sehr ich die „alten Griechen“ schätze und achte – so sehr ich verschiedene der alten Philosophen als wichtige Grundsteine eines freien Hinterfragens und Denkens ansehe… Vielleicht dürfen wir ihnen auch dankbar sein für manchen Einfluss auf unsere heutige Kultur. Jedoch kreide ich ihnen an, dass sie ganz selbstverständlich und bedenkenlos den Prozess der Meinungsbildung einem kleinen, erlesenen Kreise und einer privilegierten Schicht allein vorbehalten beließen. Nur ein beschränkter Kreis von so genannten „freien“ Bürgern hatte Zugang zu den Organen der Volksherrschaft. Von dieser Volksherrschaft ausgeschlossen waren die Frauen per se, die Sklaven allemal, und auch jene, die der Sklaverei zwar entstiegen, aber deshalb noch lange keine freien Bürger waren.

Luther beschränkt seine Ansprache an jedermann in keiner Weise – und im Grunde nur faktisch und vielleicht mit ein wenig Unbedacht: Weder des Lesens noch des Schreibens war man dereinst so selbstverständlich mächtig. Jedoch: Dem Grunde nach hatte Luther wahrhaftig niemanden davon ausgeschlossen, sein Denken und Meinen einzubringen in den Prozess der kollektiven Meinungsbildung und in den Prozess der kollektiven Herausbildung eines neu zu gestaltenden gesellschaftlichen Konsenses: die Gestaltung einer Reformation eben.

Luther als der „wahre“ Demokrat?

Der wahre Demokrat war Luther gewiss nicht. Man muss ihn aus seiner Zeit heraus verstehen, wie das auch für jene alten Griechen gilt. Denen ich ihrerseits ein mildes Maß der Kritik zukommen lassen muss für einige Aspekte, die ihnen hätten aufstoßen müssen bei all ihrer Aufgeschlossenheit und Bedachtsamkeit, mit der sie die Philosophie betrieben! Jedoch: Luther hat mehr angestoßen, als die bloße Idee einiger Landesfürsten, sich dem Machtanspruch der katholischem Kirche zu entziehen unter Vorzeichen und Vorspiegelung einer neuen Glaubensgesinnung – und zu widersetzen.
Luther hat langfristig betrachtet ein gewaltiges Umdenken ausgelöst.

Keineswegs verdient also hat Luther, dass man den Jahrestag der Reformation zum konfessionellen Feiertag erhebt. Sondern verdient hätte es die gesamte Bewegung um Luther herum, dass man einen staatlichen Feiertag und nationalen Gedenktag daraus machte! Die Bewegung um Luther herum war es schließlich auch, die ihn „gekidnapped“ und auf der Wartburg in Schutzhaft gehalten hat. Im positiven Sinne! Denn, die damalige Kirche an der Vollstreckung des Urteils zu hindern bedeutete, dieses Urteil faktisch für unrechtens zu erklären. Und Luther mit der Verhaftung auf der Wartburg wahrhaftig den Begehrlichkeiten des Unrechtssystem zu entziehen, war auch das bedingungslose Bekenntnis zur Freiheit des Denkens. Diese ist freilich später und oft auch gerade an der reformierten Kirche gescheitert. Aber sei es drum…

Reformationstag könnte staatlicher Gedenktag sein – nicht konfessioneller

An der Reformation, die Luther gemeint hatte, ist er selbst gescheitert. Dennoch feiert man ihn als den großen „Reformator“. – Es wäre unserem demokratischen Selbstverständnis vielleicht zuträglicher, Luther als einen zu verstehen, der tatsächlich jeden an einem gesellschaftlichen Disput beteiligen wollte. Dafür muss man nicht mit Luther den Glauben teilen, um seine geistige und philosophische Leistung ebenso anzuerkennen, wie seinen Mut, eine sehr grundlegende gesellschaftliche Veränderung anzustoßen.

Vom Dienst am Volk in politischer Verantwortung

„Ent-Wicklungen – Plädoyer für eine Politik des Umbruchs“
Seiten 12/13 (Auszug)

Vom Dienst am Volk in politischer Verantwortung

[…]
Trotz der immensen Angst vor umfassenden Änderungen des persönlichen Sozial- und Wohlstandes ergreift immer mehr Menschen das immer fester wurzelnde Gefühl, dass nur noch grundlegende Neuerungen im Wirtschafts- und Sozialwesen die gegenwärtigen Probleme überwinden helfen können. Dementsprechend richten die Bürger ihre klare Erwartung auf deutliche Weichenstellungen durch die Politik.
Aus dieser Erwartung heraus resultiert auch, dass die Massen noch in Ruhe und Zurückhaltung verharren. Jedoch stützt die Mehrheit in den heutigen Demokratien – in denen die Politik als vom Volk bestimmt gilt – so gerade auch den Lobbyismus durch ihre Wählerstimmen, weil auf diesem Wege Personen mit politischen Schlüsselfunktionen bedacht werden, die in lobbyistische Kreise verflochten sind. So sind Demokratien geeignet, einen Staat im Staate über prozentuale Zustimmungsquoten durch das Volk zu legitimieren. Mit dem „Staat im Staate“ meine ich hier die Subkultur der politischen Machtbildung, die in Beziehungsnetzen gepflegt wird und neben der durch die Staatsverfassung getragenen politischen Kultur besteht, ja sich sogar dem Staat – hier im Sinne der Bürgergemeinschaft, nicht der Institution – überordnet, statt sich ihm nach dem Sinn einer jeden Staatsverfassung dienstbar zu machen.


Legitimationsattrappen für nicht legitimen Nutznieß


Eine demokratische Willensbildung kann nur indirekt durch die Wählerstimme zum Ausdruck kommen. Tatsächlich aber muss sie über die im Verständigungsprozess beanspruchte Mitsprache stattfinden. Ob einzelne Anliegen letztlich Beachtung finden können oder zur Wahrung politischer Interessen zugunsten der Gesamtgesellschaft vernachlässigt werden müssen, ist nicht prinzipiell wesentlich – sondern wesentlich ist, ob Entscheidungen im Kern getragen werden von dem Anliegen, die Mittel und Möglichkeiten der Gemeinschaft bestmöglich zugunsten der Gesellschaft insgesamt einzusetzen. Dabei muss das Handeln der Gemeinschaft geprägt sein von der Achtung [dem Individuum und Minderheiten gegenüber] – nicht aber von der Tolerierung des Gewinnstrebens von Einzelnen und Minderheiten auf Kosten der Gemeinschaft.
Um dies zu erlangen, mussdas Verständnis der Demokratie als repräsentative Volksherrschaft überdacht werden. Vor allem sind die Politiker aufgerufen, sich als Vordenker und Vorreiter sinn- und erwartungsgemäß in den Dienst der Bürger stellen: Der Politiker sollte das Vertrauen genießen, den Interessen der Gesellschaft als Ganzes bestmöglich zu dienen – jeglicher Lobbyismus aber ist der klare Missbrauch dieses Vertrauens. Auch darf der Politiker nicht länger der Trägheit der Massen folgen, die sich sowohl durch die Größe von Gemeinschaften, als auch mit zunehmendem Wohlstand ergibt. Vielmehr muss er Gemeinschaftsinteressen mit Langfristigkeit sehen und erkennen und muss bereit sein, den politischen und gesellschaftlichen Umbruch für den Bürger zu wagen.


„Runderneuerung“ politischen Selbstverständnisses von Nöten!


Längst nämlich ist das Gewohnte nicht gleichbedeutend auch das Bewährte und Bewahrenswürdige. Längst hängt die Überlebensfähigkeit der europäischen ebenso wie der globalen Gesellschaft von ihrer Wandlungsfähigkeit und ihrer Bereitschaft ab, sich stets neuen Anforderungsprofilen offen zu stellen.

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