Auch die Äußerungen von Herrn Ulrich Matthes zeigen deutlich, wie verloren nun gerungen wird um Begriffe und Deutungshoheit in Fragen von Humor, Ironie, Sarkasmus, Zynismus.
Es IST Zynismus! Das ist meine persönliche Meinung. Es ist treffsicherer Zynismus. Auch meine persönliche Meinung. Matthes gibt sich dabei unerschrocken – und ganz im Sinne der Unerhörten: Die da, allen voran im Gesundheitswesen, vermeintlich dem Hohn ausgliefert wurden.
Das sage ich allem Geschrei derer zum Trotz, die sich nun übersehen fühlen – oder von denen behauptet wird, sie seien auf diese Weise gekränkt und übersehen worden: GERADE diese hat man gesehen mit dieser zynischen Anprangerung – und genau NICHT auf diese geschossen.
Meine ganz persönliche Meinung.
Humor ist ein Lebensmittel, Zynismus ein Schmerzmittel.
Ulrich Matthes disqualifiziert sich selbst hinlänglich, wenn er da eine Aktion als „komplett naiv und geradezu balla-balla“ (Matthes wörtlich) nicht mehr kritisiert, sondern nur noch abserviert. Und wenn er später offenbar sein Demokratieverständnis erfreut darauf zu reduzieren versteht, dass er immer wieder auf politischer Ebene hervorheben darf, die Kunst – gerade in diesen Zeiten der Krise – bedürfe der besonderen Berücksichtigung, dann hat er von jenen Video-Botschaften genau nichts verstanden.
„Ich muss wirklich deutlich sagen, ich habe mich überhaupt nicht in all dem ganzen Jahr als Untertan der Regierung gefühlt und mir wurde meine kritische Meinung auch nicht abgeschnitten. Ich habe immer wieder […] beklagt, dass um die Kultur sich sehr viel zu wenig gekümmert wurde. […] und immer wieder dafür werben, dass an die Kultur gedacht wird.“ Und so weiter. Matthes in eigenen Worten und in eigener Sache.
Dazu deutlich im Unterschied haben „die 50“ kein Klagelied für die Kunst erhoben, sondern ihre Anklage gegen das Regierungsgebahren eingereicht. Das muss man sich nicht einmal von Herrn Liefers erklären lassen.
Ich kann mich nur in dieser Form an Herrn Matthes ganz persönlich richten: Jawohl, Demokratie vollumfänglich verstanden.
„Das Leben der anderen“
Ich fühle mich erinnert an „Das Leben der Anderen“. Ein prächtiges Filmwerk, das am Ende natürlich dem Zuschauer auch nur eine vage Ahnung von dem vermitteln kann, was jener Druck unter einem solchen Regime bedeutet. „Er will ja nicht weg“ sagt der Haupt-Protagonist zum ‚Genossen Minister’ über einen Kollegen, der seit 10 Jahren in der DDR nicht mehr als Regisseur abgerufen wurde, „weil er fest an den Sozialismus glaubt. Und an dieses Land. Sein Berufsverbot ist…“ „Aber wer redet denn von Berufsverbot?!“ fällt der Minister ihm mit der Ruhe der Fassungslosigkeit ins Wort. „Sowas gibt’s doch gar nicht bei uns.“ Und derselbe sagt dem Schriftsteller und Bühnenautoren: „[…] aber das lieben wir ja an Ihnen: Die Liebe zum Menschen […]“ Dieser Autor engagiert sich nun noch einmal zaghaft für den geschnittenen Regisseur: „Er ist voll der Hoffnung, dass sein Berufs… Dass er bald wieder arbeiten darf. Darf er hoffen?“ Das wollte diplomatisch sein. Aber der Genosse Minister ist in der schon plakativen Überbetonung beinahe ehrlich: „Natürlich darf er hoffen!“
Und so darf auch ein Herr Matthes – denn wenn es um Geld geht, dann gibt es keinen Unterschied zwischen einem real existierenden ‚Sozialismus‘ und einer von uns so genannten ‚sozialen Marktwirtschaft‘ – weiter seine kritische Meinung äußern und für die Kunst werben.
das reale Leben als Persiflage ?
Matthes hatte die besten Voraussetzungen: In West-Berlin geboren, lebte er auf der richtigen Seite des Eisernen Vorhangs – aber auf einer politischen Insel, wie ich West-Berlin dereinst immer genannt hatte. Ein Westdeutscher, genau wie ich. Aber ich bin ein Westfale (und im Münsterland geboren), habe also irgendwie doch immer weit genug weg gelebt von diesem anderen Deutschland – um es besser verdrängen zu können. Naja, andererseits trainiert es die inneren Verdrängungsmechanismen vielleicht auch umso besser, je näher man dem Monster war.
Nicht verdrängt hatte schon damals ein Jan Josef Liefers, der mit 25 Jahren nicht Opportunismus, sondern Opposition bewiesen hatte – noch VOR dem Mauerfall, und also mit ungewissem Ausgang für den Fortgang seines Lebens unter einem Regime, das wir Westler komfortabel von außen beobachtet hatten. Jene unwägbaren Tage und Monate des Umbruchs waren für den Westen kein Risiko – sehr wohl aber für jeden so genannt „Ostdeutschen“. – „Wir“ im Westen hätten einen anderen Ausgang der Geschichte konsequenzfrei als tragisch empfunden.
Ich muss es hier nun also einmal plakativ herunterbrechen, damit es nicht zu lang wird: Da ist rein gar nichts verstanden worden, wenn Herr Matthes äfft: „Ich puste mal aus Witz und Humor und Jux und Dollerei – oder Ironie, von mir aus – in eine Tüte und mache da irgendein Beatmungsgerät nach…“
Schade. ICH habe das Beatmungsgerät damit nicht einmal vage assoziiert. Und das ist mit dieser Metapher auch nicht gemeint!
mein persönliches Resümee:
Nicht einmal mehr, verehrter Herr Matthes, missverstanden. Sondern: Nichts verstanden! Schade, da Herr Matthes offenbar aus seiner Position heraus beansprucht, für ein größeres Kollektiv zu sprechen.
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