Was macht Sucht? – Die Frage lautet für mich weniger: Was macht Sucht aus? Oder: Wie sieht das Leben eines Süchtigen aus?
Ich spüre dem Grund von Suchtverhalten nach – weniger der Sucht an sich
In diesem Sinne gehe ich der Kindheit und Jugend eines Alkoholabhängigen nach. Denn ich möchte frühe Schädigungen in Kindheitstagen aufzeigen, und ich möchte die Zermürbung am Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufzeigen, mit der dann schließlich die Last zu schwer und die Bürde zu groß wird – für einen allein.
„Abwärts leben“ – Biografie, in Neuauflage
Denn an diesem Punkt dann – der selten ein Einzelereignis ist, sondern meistens eine schleichende Entwicklung – wird Suchtverhalten ausgebildet, wird der Hang hin zu einer bestimmten Droge oder überhaupt hin zum Ausleben von Suchtverhalten etabliert.
Wenngleich nämlich ein Einzelereignis der Auslöser für ein Suchtverhalten sein kann, so ist dieses Einzelereignis aber niemals die Ursache für Sucht. Das Einzelereignis kann zeigen, dass es gelingen kann, einem Druck, einem Schmerz zu entfliehen. Jedoch: Gibt es diesen Schmerz nicht, der in Schüben immer wieder unerträglich oder allmählich und insgesamt unerträglich wird, dann gibt es auch kein Suchtverhalten!
Unterhaltsam und aufrüttelnd zugleich: MEHR als eine Alkoholiker-Biografie.
Mir sagte einmal jemand, dass man einen Alkoholismus oder dass man einen Alkoholiker nicht beschreiben könne, wenn man nicht selbst diese Erfahrung gemacht habe – und meinte damit mich, nachdem ich ihm eingeräumt hatte, dass ich weder mit Alkohol noch mit sonstigen Drogen etwas am Hut habe oder hatte.
Ich aber möchte das Fundament von Sucht offenlegen. Denn wo andere sagen: „Wenn Du nur willst, dann schaffst Du es auch!“ – da sage ich: Die Hürde ist weniger der Wille, sondern zwei ganz andere Faktoren sind es, die sich dem Süchtigen hinderlich quer in den Weg stellen! Es ist das Unverständnis, das ihn trifft, und also das Allein-Sein mit seinem Problem. Und es ist dieser Schmerz, der im Inneren eines Süchtigen tobt – der immer da ist, oder der immer wieder in Wellen herbeischwappt. Es ist dieser Schmerz, von dem lieber niemand etwas wissen will*. So geben das Leiden an sich und das Allein-Sein sich die Hand, bestärken sich gegenseitig – und bestärken sich gegenseitig, wo einer vielleicht längst aussteigen will…
Meine Intention ist also eine ganz andere: Ich zeichne den frühen Weg eines Menschen auf. Ich zeichne seine Verletzungen nach, ich zeichne das Verleugnen seiner Verletzungen nach, ich zeichne die Zermürbung nach… Ich zeige also nicht auf die Sucht, sondern vor allem vor die Sucht.
(* In diesem Dilemma wollen aber auch die meisten der Betroffenen von diesem tiefen Schmerz lieber nichts wissen, um dem größten Schmerzdruck wenigstens gegenwärtig entfliehen zu können.)